Die Reise ins eigene „Ich“.


Vermutlich weiß jeder, der sich schon etwas mit der „Darsteller/Sänger-Materie“ auseinandergesetzt hat, dass alle Songs eine Geschichte erzählen, sei es verbal oder im Subtext. Das heißt, dass jede Performance neben einer eventuellen Choreografie oder der musikalischen Gegebenheiten, einer emotionalen und interlektuellen Vorarbeit bedarf. Ich muss gestehen, dass ich die Dringlichkeit dieses Vorgehens auch erst in dem letzten halben Jahr in der Ausbildung realisiert habe.

Wählt man beispielsweise einen Song auf Grund seines Klanges aus, sollte man sich fragen, was einen genau anzieht…Melodie, Begleitung, Text etc…? Welche Emotionen löst es in einem aus – welche Emotionen möchte man also transportieren und im Zuschauer wecken? Hierbei ist es essenziell, die Musik intensiv anzuhören und diese dann in Verbindung mit dem Text bringen. Passen beide zusammen oder erzählen sie eine unterschiedliche Geschichte!? Wieso könnte das so sein und was bedeutet das für die Geschichte dahinter?

Die Entwicklung dieser Geschichte und einer gewissen Szenerie ist auch gerade bei Songs, die aus keiner konkreten Erzählung oder Show stammen sehr wichtig. Lieder aus Musicals mit einer Storyline beispielsweise geben ja schon eine konkrete Situation vor. Beim Entwickeln dieser eigenen Figur sollte man auch diese detailliert beschreiben und sich einen Grund überlegen, wieso diese Person dieses Lied zu diesem Zeitpunkt singt und aus welchem Moment heraus. Eine gute Hilfestellung zum emotionalen Einstieg in einen direkt adressierenden Song ist beispielsweise das Festlegen einer Textzeile, die direkt vor Beginn zu einem gesagt wird. Bevor man performt ruft man sich besagtes Textmaterial in den Kopf und lässt sich davon in das Singen geleiten. Uns wird auch in der Academy oft davon berichtet, dass man sich später im Berufsleben die Langzeitrollen sozusagen frisch halten muss, da man teilweise 7 mal die Woche mit der selben Geschichte, mit dem selben Text und den selben Songs auf der Bühne steht. Rüberkommen darf das aber nicht. Ein von seiner Rolle gelangweilter oder nur noch „abrufender“ Darsteller kann dem Publikum nicht mehr viel entgegenbringen. Eine mögliche Lösung, wie uns schon verraten wurde, ist es zum Beispiel, sich einfach neue Wege zum selben Ziel für die Figur zu suchen oder von einem anderen Punkt zu spielen, der dem Charakter der Figur und dem, was man transportieren möchte aber immer noch entspricht. Wie man bereits merkt ist das alles ein sehr schmaler und doch breiter Pfad. Ein Widerspruch in sich, denn so viel Freiheit man auch hat in der Erarbeitung einer Rolle oder einer Szene, so viele Fehlentscheidungen kann man auch treffen. Wenn etwas intellektuell beispielsweise brillant klingt, man aber emotional trotzdem keine Verbindung aufbauen kann und bei diesem Schritt stecken bleibt, dann sollte man noch mal tief in sich horchen und nach dem Grund, bzw. dem „Trigger“ für einem selbst suchen. Als Trigger bezeichnet man den Auslöser eines gewissen emotionalen Zustands. Das kann wie oben bereits erwähnt eine vorgestellte Textzeile sein, aber auch eine Erinnerung an etwas persönlich Erlebtes widerspiegeln.

In der heißen Phase der Aufnahmeprüfungen „damals“ habe ich mir durch die Vielzahl an vorzubereitendem Material eine Tabelle erstellt, die unter anderem auch die Trigger für jede Rolle beinhaltet. Teilweise kann dort auch nur das Motto stehen, mit dem du als diese Rolle in diese Szene einsteigen möchtest. Diese Tabelle lag dann beispielsweise in meinem Umziehbereich, wenn ich zwischen mehreren Monologen war und ich warf, bevor ich wieder vor die Jury trat, einen Blick drauf, um mich zu fokussieren und das wichtigste dieser Situation blitzschnell wieder abzurufen. Aus dem einfachen Grund, weil man sich bei teilweise 4 hintereinander zu spielen Monologen einfach eine Hilfe bauen muss, um beim wechseln der Rollen nicht den Verstand zu verlieren und geordnet zu bleiben.

Dieser Eintrag wird wohl nicht der letzte zu diesem unerschöpflichen Thema sein. Ich weiß, dass das alles vielleicht erstmal kompliziert und nach viel Arbeit klingt, aber hat man einen Text oder Song erstmal so intensiv bearbeitet, verschmilzt dieser plötzlich mit einem – es wird im Idealfall eine Reise ins eigene „Ich“, ob für die Zuschauer oder einen selbst!

 

Euer Dominik

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