Hinter den Kulissen


So, da bin ich auch schon wieder. Gestern haben wir also unseren ersten Durchlauf gestartet, wobei wir an einzelnen Nummern noch sehr intensiv gearbeitet haben, weswegen wir in den drei Stunden auch nicht ganz durchgekommen sind.

Was sich da unter dem Namen „Showcase“ anbahnt ist ein wenig mehr als verschiedene Gesangs-, Schauspiel- und Tanzstücke aneinander gereiht. Zuerst hatten wir alle keinen großen Durchblick und haben unsere Parts gelernt. Jetzt, da sich die einzelnen Stücke zusammenfügen, wird uns klarer und klarer, wo der rote Faden entlang läuft. Schon in zwei Wochen werden wir unser erarbeitetes Stück aufführen. Noch viel zu tun bis dahin. Da wir dieses mal nicht einfach einzelne Nummern nacheinander aufführen sind Anschlüsse ganz besonders wichtig – Übergänge.

Eben diese habe ich schon in verschiedenen Filmen bewundern dürfen. Spontan fallen mir da die beiden Musikfilme Singin‘ in the Rain und Barfuß im Park ein. Was da so natürlich, einfach und logisch ausschaut ist in Wirklichkeit feinste Arbeit, die sich auch gar nicht auf ein einzelnes Projekt beschränken lässt. Überhaupt, ist das, was jeden Abend auf Hamburgs Musicalbühnen zu sehen ist ein verqueres Ding für uns Schüler. Wir haben uns da letztens in einer freien Minute drüber unterhalten. Als einfacher Konsument und auch als Schüler in der Ausbildung zum Musicaldarsteller wird einem gar nicht bewusst, was da alles passiert, während wir die Show genießen. Die Einblicke durften wir genießen, als wir unsere Praktika gemacht haben. Was aber ein anderer Punkt ist, ist die Frage, wie machen die Darsteller das? Was wir sehen ist schließlich das fertige Produkt. Tolle Stimme, gutes Spiel und es fügt sich in das Gesamtkunstwerk ein und alles schaut so leicht aus, als würden die das „mal eben so“ vom Hocker reißen. Wenn wir dann den Fokus auf die Ausbildung legen, sehen wir plötzlich, dass manchmal Stunden an einem einzigen Gesangsstück gearbeitet wird und da frage ich mich dann manchmal, wie das die Profis machen. Wir haben das Glück, dass wir gerade in den letzten Tagen die Profis sehr oft zu Gast in unserem Hause haben, da gerade sehr viele Auditions laufen. Und da können wir ja zuhören – durch verschlossene Türen, in unseren Unterrichtsräumen und manchmal auch auf dem Flur – wie die arbeiten und hey, die singen sich auch ein, die sind genauso aufgeregt, die wärmen sich auch auf und lernen Texte. Und wenn ich dann einen Schritt weiter gehe und mit ihnen rede, wird es mir noch klarer. Menschen, so wie ich.

Seitdem ich als Kind Darsteller auf Bühnen bewundere habe ich mir so ein Bild aufgebaut, von „dem Darsteller“. So, als würden sie menschliche Darsteller sein und nicht darstellende Menschen. Sicherlich auch, weil ich als Darsteller einen anderen Blick darauf habe und mich unglaublich gerne faszinieren lasse. Ich habe es schon einmal erwähnt, ich weiß, aber die Tatsache, dass ich nun weiß, dass sie genauso Menschen sind und genauso üben, sich freuen und manchmal verzweifeln, nimmt ihnen kein Stück des Glanzes, im Gegenteil, es macht ihre Leistungen im Grunde noch wundervoller.

Und ist es nicht das, was so oft im Alltag fehlt? Dass wir den Menschen dahinter kennen lernen? Kommunizieren, uns austauschen, uns kennen lernen und verstehen? Den Brötchenverkäufer, den Müllmann, die Zugfahrer, den Polizisten, den Eismann, die Sicherheitskräfte und die Parkwächter?

Aus irgendeinem Grund kommt es offensichtlich gerade bei Musicaldarstellern oft dazu, dass sie sich nicht im direkten Austausch befinden, dass sie nicht den Menschen sehen und verstehen. Da geht vieles hintenrum und über Andere. Es gibt Missverständnisse. Viel Getuschel, dem sich die Verantwortlichen entziehen: „Nee, das habe ich so nicht gesagt oder gemeint“. Das ist ja auch leicht, wenn es keinen direkten Austausch gibt. Außerdem sehen sie oft den Darsteller zuerst, auch in sich und dann, vielleicht irgendwann den Menschen. So entsteht Konkurrenz und so entstehen Verletzungen, im Herzen aber vielleicht auch körperlich, weil die Gedanken viel mehr bei der „Konkurrenz“ sind, als bei einem selbst. Dabei ändert sich so viel, wenn sich der einzelne öffnet. Wenn er zeigt, hier bin ich. Das bin ich. Ich bin verletzlich, ich bin menschlich, ich bin angreifbar. Aber auch: ich bin offen, ich bin für Dich da und ich habe Verständnis.

Viele Probleme, die wir glauben mit anderen zu haben, haben wir letztendlich mit uns selbst. Wenn wir uns angegriffen fühlen, ist das womöglich so, weil wir selbst oft angreifen oder einfach unsicher mit uns selbst sind und uns das aber gegenüber unseren Mitmenschen nicht eingestehen können oder möchten. Es kann besser sein sich einzugestehen einen Menschen nicht zu mögen, als sich und ihm vorzulügen, dass es anders wäre, nur um sich dann hintenrum Luft zu machen. Gerade in dieser Welt ist alles miteinander verbunden. Die einzelnen Menschen und die Handlung, die wir als Mensch und als Darsteller begehen, denn zu Grunde liegen immer unser Herz, unsere Gefühle und unsere Gedanken … und genau darum geht es auch in unserem Stück.

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