Ja, warum sind wir eigentlich hier? Existenziell? Das würde ich gerne beantworten, kann ich aber nicht. Musicell? Das kann ich euch nach dem heutigen Tag beantworten.
Begonnen hat der Tag mit Ballett: Pliés, Tendus, Frappés, Battements und Diagonalen. Wie gehabt. Danach Modern. Auf dem Boden schmelzen und so. Mittags dann Theater Dance mit unserer tollen Zeitungsnummer aus dem Musical „Gipsy!“, Besprechung und Wiederholung von „Spring Awakening“ und „Voulez Vous“ aus „Mamma Mia!“. Am Nachmittag hatten wir nacheinander einzeln Monologarbeit. Und danach und dazwischen? Frei!
Und was macht der Musicalstudent wenn er frei hat?
Antwort A: Schlafen.
Antwort B: Chill out im Kaffeehaus.
Antwort C: Hausaufgaben.
Antwort D: Sinnlos in der Schule rumgammeln- weil keine Freunde.
Richtig ist Antwort D (Auf mich bezogen, aber ich habe auch einige Kollegen beobachten können, die mir gleichgesinnt waren!) Viele denken sich jetzt vielleicht. „Oh, der arme Musicalstudent hat keine Freunde? Das ist aber traurig.“ Natürlich ist das nicht so gemeint. Wir haben schon Freunde. Nur sind die alle mit uns in einer Klasse, an der selben Schule oder wohnen in einem entfernten Teil Deutschlands, den man nicht einfach so zu Fuß oder mit dem Rad erreichen kann – wie früher, als wir noch klein und unschuldig waren……Hach ja……..
Also gammeln wir gemeinsam in der Schule rum, obwohl wir da nichts mehr verloren haben. Wir trinken Kakao, essen sehr viel Schokolade, tauschen die neuesten Gerüchte aus und sprechen eigentlich die meiste Zeit von uns selbst. Alles Egozentriker diese Bühnendarsteller!
Wir konversieren und buhlen dabei die ganze Zeit um unsere gegenseitige Aufmerksamkeit, denn „Schließlich ist das doch am Wichtigsten, was ich gerade sagen will. Versteh ich gar nicht, warum die anderen das nicht einsehen!“ Irgendwie ist das aber auch schon spaßig. Und anstrengend. Vor allen Dingen anstrengend. Aber, das Gute ist: Es kann einem nie langweilig werden UND wenn es einem zu viel wird, zieht man sich einfach zurück und wird dann auch in Ruhe gelassen, meistens.
Wir lieben das ja!! Sonst wären wir ja nicht hier.
Ganz so ohne Sinn haben wir heute dann doch nicht rumgegammelt, denn es gibt eine neue Attraktion an der Schule. Das neue Fach der 5-Semesterlinge: „Repertoire“. Wir wussten zunächst nur, das Fach findet öffentlich statt und irgendwie sollen die Fünfer in dem Fach Werkzeuge an die Hand bekommen, ihr Repertoire zu erweitern. Irgendwann sickerte dann durch, dass Vorträge gehalten werden, über wichtige Personen und Vokabeln des Musicalgeschäfts und so. Es soll sozusagen Grundwissen für den Musicaldarsteller vermittelt werden. Als Dreier sagte ich mir: „Hm, könnte interessant werden, Vorträge, Grundwissen- Ich muss nicht alleine zu Hause sein- JAP! Da geh ich hin.“ Also war das heute nun schon das dritte Mal, dass ich diesen Unterricht besucht habe.
Heute ging es um Cameron Mackintosh. Einen DER, oder besser gesagt DEN Musicalproduzenten überhaupt.
Im Vortrag erfuhren wir, dass Mackintosh- der im übrigen nichts mit den Macintosh Computern zu tun hat – schon als Kind wusste, er will Musicals auf die Bühne bringen. Damals sah er zum ersten Mal das Musical „Oliver“ und war sofort Feuer und Flamme. In seiner Karriere produzierte er bislang um die 30 Musicals, darunter auch mehrmals erfolgreich „Oliver“. Doch er produzierte nicht nur Musicals, er erfand auch ein Konzept, das uns hier in Deutschland in der Musicalszene sehr häufig begegnet. Mackintosh setzte durch, dass Musicals in gleicher Inszenierung auf der ganzen Welt gespielt werden. Jemand schreibt, produziert, inszeniert ein neues Musical und bringt es zum ersten Mal auf die Bühne. Das Rezept ist also entwickelt. . Nun versucht er seine Rezeptue in andere Länder zu exportieren. Dort muss dann noch die Zutaten, wie beispielsweise die Darsteller oder deutsche Texte hinzugefügt werden- und fertig. Das heißt: Ich gehe am Broadway in „König der Löwen“ und sehe die gleiche Inszenierung wie in Hamburg, Australien, Japan, Holland….
Mackintoshs Konzept war ein voller Erfolg und das ist eigentlich der Grund, warum wir hier sind. Warum wir hier, an der Joop van den Ende Academy sein dürfen. Hätte Mackintosh nie das Konzept des „Musicalrezeptes“ erfunden, hätte es nie Stage Entertainment gegeben. Und gäbe es Stage Entertainment nicht, gäbe es die Academy nicht. Nur deswegen sind wir hier.
Danke Herr Mackintosh!