Die Alan-Methode


RE:PRESENT , eine GBR von Ralf Schaedler und Simone Linhof hat letztes Jahr bereits Jason Robert Brown gebracht und dieses Jahr die beiden Jung-Komponisten Pasek & Paul. Nun konnten sie auch Scott Alan für einen Besuch in Hamburg gewinnen.

Seit Ende letzter Woche bereitet sich Scott Alan nun auf ein Konzert zu welchem Prominente wie Willemijn Verkaik, Volkan Baydar, Konstantin Rethwisch und Serkan Kaya seine Songs singen werden. Am Montag, den 20 Juni wird das Konzert um 20 Uhr in den Hamburger Kammerspielen beginnen. Die Karten waren heißbegehrt und auch schnell ausverkauft. Nur schwer kommt man jetzt noch an Restplätze.

RE:PRESENT hat sich aber auch wieder um Workshops mit seinem Gast gekümmert: Am Samstag wurde die gesamte Academy zur Masterclass mit Scott eingeladen. Auch andere Schulen haben ausgewählte Schüler geschickt damit sie mit Scott arbeiten können. Die vier Teilnehmer der Joop van den Ende Academy wurden von Ralf und Perrin in einem Casting Anfang der Woche ausgewählt. Elisabeth, Madeleine, Danny und Fabio durften schließlich mit Scott arbeiten.

Die Gleichstellung

Scott eröffnete den Workshop seht offen. Wir waren ziemlich verwirrt und verunsichert aber haben vorerst vorsichtig mitgespielt: Zuerst wollte er alle Namen hören. Ohne Ausnahme. Wir waren wohl über 50 Leute in Studio London, trotzdem wollte er, dass jeder kurz seinen Namen sagt. Er hat nicht gesagt, dass er sich alle merken würde, aber er wollte sie hören. Nachdem sich alle vorgestellt haben, bat er uns einen großen Kreis zu bilden. Also gut. Wir standen auf und stellten uns alle in einen großen Kreis.

Scott wirkte ganz natürlich und fröhlich und tat so, als wenn das, was jetzt kommt das normalste auf der Welt wäre: Er forderte uns auf ein Geheimnis zu verraten. Jeder sollte etwas Erzählen, was noch niemand weiß. Das sollte natürlich im Raum bleiben, aber erstmal sollte jeder etwas erzählen und er fing auch sofort mit einem Geheimnis an. Jan-Eike stand direkt neben ihm und war als nächster dran. Wir waren uns erst nicht sicher ob das ernst gemeint war. Ihm viel auf anhieb auch nichts ein. Aber nach einigen Sekunden viel ihm doch eine Geschichte ein, von der niemand wusste. Und so ging es reihum. Jeder der 50 Teilnehmer erzählte ein Geheimnis. Einige lustig, einige traurig, andere sehr persönlich. Aber ich erzähle natürlich keines, da ja alles im Raum bleibt.

Nachdem die Runde fertig war dankte er allen und bat uns sich hinzusetzen. Wozu dieser kleine Einblick in jeden von uns gut sein sollte, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Das Bombardement

Danny sang als erster. Es war der Song „Now“ von Scott Alan selbst. Nachdem er den Song einmal gesungen hat, begann Scott sofort mit seiner Methode Danny den Song näher zu bringen: Er fragte ihn, wie seine Verbindung zu diesem Song sei. Danny begann langsam eine persönliche Geschichte zu erzählen, die Ähnlichkeiten zum Song aufwies. Scott fragte ihn immer mehr aus, gerade an stellen, an denen Danny eigentlich gerade aufhören wollte zu erzählen. So wurde aus einer ersten Zusammenfassung der Situation eine genaue Geschichte mit vielen Details. Er erzählte und den genauen Ablauf der über mehrere Monate verlief und an verschiedenen Orten spielte. Zum Schluss kannten wir die ganze Geschichte. Wir sahen aber auch, dass Danny all diese Sachen noch einmal vor Augen hatte. Ihm kamen schließlich auch die Tränen und man sah, dass er auch die Gefühle langsam wieder hatte. Als ihn Scott dann schließlich wieder an den traurigsten Punkt der Erinnerung zurückgeschubst hatte, sollte Danny den Song noch mal singen. Es war natürlich ein Unterschied. Es war aber kein Unterschied zwischen gut oder schlecht. Viel eher verstand man, dass es einen Unterschied zwischen spielen und performen gibt.

Bei den folgenden Teilnehmern fuhr Scott sogar noch härtere Geschütze auf. Außer Danny war aber keinem die Verbindung zum Song direkt bewusst. Scott befragte sie nach Erlebnissen oder Familienverhältnissen und Beziehungen und traf dabei immer auf eine Wunde stelle. Wenn er bemerkte einen Nerv getroffen zu haben ging er dann auch in die Vollen: Er fragte immer tiefer nach Sachen, stelle antworten in frage, die er nicht so recht glaubte und kam so immer weiter an die Wahrheit heran.

Unter den Teilnehmern gab viele geschockte Gesichter, als sie sahen wie Scott einen Teilnehmer nach dem anderen einfach auf ihre tiefsten Gefühle auszieht und sie so unter tränen den Song noch mal singen lässt.

Scott erklärte den Vorgang: Jeder hat seine eigene persönliche Mauer. Man baut sich unbewusst jeden Tag um mehrere Steine höher. Das passiert wenn man verlassen wird, wenn man was peinliches macht oder sich mit einer Schere schneidet. Alles trägt dazu bei für die Zukunft ähnliche schmerzen zu vermeiden oder andere sehen zu lassen, was für schmerzen man hatte.

Singen ist seiner Meinung nach: „It‘s not about the voice.“ – Es geht einzig darum die Gefühle zu vermitteln die ein Komponist ein den Song gesteckt hat. Allerdings kann man nicht die gleichen Gefühle empfinden wie der Komponist. Wer der versucht, faket die Geschichte. Das geschulte Auge sieht das auch. Das ungeschulte merkt nur, das irgendwas nicht stimmt. Man muss also die Gefühle mit den eigenen Erlebnissen nachempfinden. („I‘m bored of historys, I want to see YOUR history.“) Das hieße aber nicht, dass man einfach den Darsteller zum weinen bringen muss. Es gibt ja auch fröhliche Songs, dann muss man diese dementsprechend arbeiten.

Damit diese Geschichten und die damit verbundenen Gefühle sichtbar werden, muss man diese Wände aber abbauen. Man muss in der Lage sein, sich aus seinem geschützten Umfeld heraus zu lehnen und den Zuschauern in die eigenen Gefühle einsehen lassen. Man muss ihnen „seine Geheimnisse“ erzählen.

So hatten wir dann auch verstanden, wofür diese Geheimnis-Erzähl-Runde gut war: Dadurch, dass alle etwas persönliches erzählt haben, waren alle auf dem gleichen Level, jeder wusste was von jedem. Das war denen, mit denen Scott gearbeitet hat nur gerecht, denn so waren sie nicht die einzigen, die den anderen 40 Leuten ihre Geheimnisse erzählen mussten.

Man konnte bei den singenden Teilnehmern aber sehen, wie schwer es ihnen viel diese Mauer untern zu halten. Jeder hatte Probleme die Mauer überhaupt anzubrechen. Diese, die es erfolgreich versuchten, denen sprengte Scott auch gnadenlos die Reste der Mauer nieder. Von der einen Seite nahmen sie Stein für Stein hinunter, auf der anderen Seite schoss Scott mit Kanonen riesige Löcher hinein.

Als sie den Song dann schließlich noch mal sangen, sah man aber, wie sich die Mauer von alleine wieder etwas aufbaute. Gedanken an den Text oder die Gesangstechnik tragen dazu bei, dass sich diese Mauern automatisieren und die Gefühle wieder einschließen. Scott versuchte die Mauern dann wieder nachzusprengen. Meist mit erfolg.

Scotts Meinung ist, dass das wichtigste Tor zur Seele die Augen sind. Diese Arbeiten nur mit, wenn die Mauer nicht mehr steht. Auch das Gesichte arbeitet ganz anderes wenn der Schutz nicht mehr besteht. Wenn die Mauer steht, versucht man die Ausdrücke mit Händen, Armen oder anderen Körperteilen nachzustellen, was aber nicht funktioniert.

Schocktherapie für den Wahnsinn?

Natürlich wollten wir wissen, ob es möglich ist, sich 8 mal die Woche komplett Seelisch auf einer Bühne auszuziehen ohne verrück zu werden. Scott betonte, dass dieser Vorgang des Gefühlszugangs und das Abreißen der Mauer ein Vorgang für die Probenphase ist. Man sollte dies einige Male machen, um die Gefühle zu finden. Auf der Bühne muss man natürlich die Mauer so weit stehen lassen, dass man nicht komplett die Kontrolle verliert. Ein Song wird nicht gut, wenn man den halben Text nicht versteht weil der Darsteller heult wie ein Schlosshund.

Er sagte aber auch, dass resultierende Schäden nicht ausgeschlossen sind. Man wird zwar nicht wahnsinnig, aber man muss sich damit abfinden, dass dies der Beruf sei und die Werkzeuge dafür die Gefühle und der Körper sind. Einen Therapeuten zu haben sei in der Branche nicht nur üblich sondern wäre in Amerika sogar die Regel.

So haben wir als den Songwriter Scott Alan kennengelernt und seine Methode an Songs zu arbeiten. Ich persönlich fand den Workshop sehr hilfreich. Das Problem des Mauer-Abbaus habe ich genau wie viele andere Mitstudenten. Welchen Unterschied es macht, diese Mauer mal einstürzen zu lassen, haben wir uns alles nicht gedacht. Wie man daran arbeitet sie abzubauen haben wir auch noch nicht überlegt. So habe ich einen guten Ansatz meine Prüfungssongs noch einmal zu überarbeiten.

Hier noch einige Links:

http://represent.de/

http://www.scottalan.net/

http://twitter.com/#!/ScottAlanNet

Kommentare in diesem Blog werden nicht öffentlich angezeigt, sondern nur von den Schülern selbst empfangen, gelesen und bei Fragen auch beantwortet.

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