Eine Baustelle


Als wir (vor langer Zeit) zur Aufnahmeprüfung kamen, ragte hinter den roten Gebäuden der Speicherstadt, in welchen sich in einem die Joop van den Ende Academy befindet, ein großer Klumpen Stahl empor.

Als 15 von uns dann die Ausbildung begannen, hatten wir einiges gemeinsam. Alle hatten wir vorher schon mal hier und da etwas gesungen, in Jugendproduktionen mitgespielt oder in einem Verein oder einer Tanzschule getanzt. Wir hatten eine Basis, die völlig unscheinbar schien, kaum zu unterscheiden von jenen, die die Aufnahmeprüfung nicht geschafft haben.

Zwischen 1963 und 1966 wurde der Kaiserspeicher am Kaiserkai errichtet und diente zur Lagerung von Kakao, Tabak und Tee. Das Gebäude ist ein Beispiel der Hamburger Architektur der Nachkriegsmoderne und unterschied sich sich nicht von den Speichern in seiner Umgebung.

Da wir wussten, dass es für uns ernst wird, haben wir uns in den Monaten, bevor es in der Academy so richtig los geht ein bisschen vorbereitet. Hier eine kleine Notensammlung vorbereitet, dort noch ein paar Tanzschritte eingeeignet, oder einfach recherchiert, was für Musicals es gibt. Schließlich ging es nun auf einmal um etwas. Wir waren umgeben von Leuten, die es auch schaffen wollen und sich auch vorbereiten und irgendwann um die selben Jobs kämpfen wie wir.

Seit der Begriff „Hafen-City“ in Hamburg umgeht, wurde der Kaiserspeicher Monat für Monat von einem neuen schönen und modernen Haus umzingelt. Eines interessanter als das andere. Jedes ein Symbol für modernes Leben und hohen Lebensstandard. Die Zukunft baute seine Eigentumswohnungen direkt um den eckigen roten Block. So bekam er ein Gerüst. Er wurde darauf vorbereitet  etwas besonderes zu werden, wurde renoviert und bekam verstärkte Wände um den Druck der auf ihn zukommen sollte zu ertragen. Auf dem Dach entstand ein Gestänge, ein Gerüst, dass in der Zukunft mit viel Material gefüllt werden sollte.

Die Schulleitung machte sich Gedanken, wie man die Talente eines jeden Schülers des neuen Semesters am besten fördern könnte, überlegte welchen Dozenten welchen Schülern zuteilt und wie man den Stundenplan am besten verteilt, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen.

Im November 2004 ging die Stadt Hamburg den Vertrag mit dem Büro Herzog & Meuron ein. So begann man den Entwurf der Architekten Alexander Gérald und Jana Marko umzusetzen und plante den Haushalt und die Bauzeit des neuen Projekts. Man sprach vom Bau eines neuen Wahrzeichen mit Verbindung zur Kultur. Also ein neues Kultur-Wahrzeichen?

Seit dem kommen wir auf dem Weg zur Academy oder beim Blick aus dem Fenster nicht um einen Blick auf die große Baustelle herum. Jeden Tag kam eine Etage hinzu, eine Fensterfront wurde hinzugefügt oder ein Dachelement installiert. In der selben Zeit lernten wir einen neuen Schritt, fanden den richtigen Umgang mit unserer Stimme oder den richtigen Zugang zu unseren Gefühlen um diese auf der Bühne richtig einzusetzen. Dozenten bastelten weiter an unseren Fähigkeiten um uns aus der Reserve zu locken während auf der anderen Seite des Fleets Bauarbeiter und Architekten einen großen pKonzertsaal mit 2150 Plätzen und einen keinen Saal mit 550 Plätzen ausmaßen. Während wir in der Kantine saßen um ein neues Semesterprojekt zu planen, wurden in 37 Metern Höhe die Kacheln der umlaufenden, öffentlichen Plaza gelegt. Wenn wir bei Yvonne im Büro saßen um Papierkrams zu erledigen, hat man gegenüber ein vier-sterne-Hotel mit 250 Zimmern und riesigem Wellness- und Konferenzbereich eingerichtet.

So lernen und Trainieren wir weiter, damit wir im Sommer 2012 als voll ausgebildete Musicaldarsteller die Speicherstadt verlassen können, um uns der ganzen Welt zu Zeigen. Bis dahin ist aber noch als nur Feinarbeit nötig. Bei jedem von uns kann man schon erkennen , wohin es mal gehen soll, und in vielen Kreisen hat man uns auch schon Auftreten sehen, aber da geht noch einiges bis zur Fertigstellung.

So wird gebaut und geschweißt. Die Kräne sind fast rund um die Uhr in Bewegung, damit der Zeitplan eingehalten werden kann und bis zum Jahr 2012 ein großes Bauwerk in der ganzen Welt die Haven-City repräsentiert. Bis dahin sind aber noch einige hunderte Quadratmeter Dachgerüst nötig, viele Saalstühle, Zimmereinrichtung und Foyerbeleuchtung. Man kann schon erkennen, wie das Bauwerk mal aussehen wird. Die Umrisse sind klar zu erkennen. Und man kann mit einer kleinen Gruppe auch schon fast jeden Bereich der Baustelle besuchen und bestaunen. Aber da geht noch einiges bis zur Fertigstellung.

So ist die Elbphilharmonie unser täglicher Begleiter und eigentlich Begleiter durch unsere gesamte Ausbildung. Sie durchläuft, genau wie wir, einen Aufbauprozess, der sie zu etwas besonderem in einer ohnehin schon besonderen Umgebung macht. Es gibt keinen Tag, an dem wir nicht weiterkommen und keinen, an dem die Werkzeuge auf der Baustelle still liegen. Wenn wir dann bei unserer letzten Zeugnisvergabe aus dem Fenster von New York schauen, wissen wir, dass wir es geschafft haben. Wir sind fertiggestellt. Wir kamen mit einer unscheinbaren Basis, auf der etwas aufgebaut wurde, was es so vorher noch nicht gab. In uns wurde ein Gerüst geschweißt, das wir mit Können, Erfahrungen und Professionalität ausgeschmückt haben. Vielleicht sehen wir auch besser aus als vor der Ausbildung. Zumindest brauchen wir dafür keine Glasfassade mit Beulen. Viele Menschen werden zu uns aufschauen und uns Bewundern. Natürlich sind wir nie ganz fertig ausgebildet. Und wir werden auch immer wieder etwas anderes machen und spielen. Die Spielpläne in der Elbphilharmonie werden sich auch immer wieder ändern.

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