Wer bist du?
Wie alt bist du?
Was ist in deiner Vergangenheit geschehen?
Was willst du?
Was bist du bereit dafür zu tun?
Wieso reagierst du so und nicht anders?
Wie bewegst du dich?
Hast du bestimmte Gewohnheiten/Ticks?
Was magst du, was nicht?
…
Seitdem das Semester begonnen hat schwirren täglich gefühlt 1000de dieser Fragen durch meinen Kopf. Überall dreht es sich plötzlich um Rollen, Figuren – Interpretation… Eine Sache mit der ich mich zwar vor den letzten Prüfungen schon ansatzweise auseinandergesetzt hatte, aber ich niemals gedacht hätte, dass sie dieses Gewicht bei der tägliche Arbeit eines Musicaldarstellers einnimmt. Ich dachte immer: du musst lernen zu singen, zu tanzen und zu schauspielern. Das lernst du in der Schule, da sagen dir dann deine Lehrer mach das so und so und dann ist das gut und richtig! Erkenntnis der letzten Wochen: das ist FALSCH !!!
Also natürlich lernen wir die technischen Grundlagen in all den 3 Bereichen, aber was macht besondere Darsteller aus? Gewiss ist z.B, eine besondere Stimme vorteilhaft, aber wie viele Menschen gibt es mit tollen Stimmen? – VIELE! Wie viele Menschen gibt es die toll tanzen können – auch VIELE! Aber nur Wenige können uns in ihren Bann ziehen! Wenn ich mir die Frage stelle, wann ich eine/n Künster/in besonders toll fand, dann hatte er/sie selbst eine sehr starke Persönlichkeit oder verkörperte seine/ihre Figur so gut, dass ich ihm alles abgenommen habe. Den Zuschauer erreichen, ihn überzeugen und fesseln – das ist die Kunst! Da man in Musicals Figuren spielt und nie sich selbst darstellt, so heißt es also: lerne so schnell wie möglich Rollen überzeugend zu verkörpern! Aber selbst da dachte ich: Naja gut dann gibt mir jemand die Antworten auf all die oben stehenden Fragen und ich mache das dann einfach. Spätestens der Regisseur sagt mir ja was ich tun soll… wieder FALSCH 😉 Später im Beruf heißt es oft: so ist die Situation – mach was draus, mach Vorschläge und man sagt dir dann wies gefällt und was gut, was schlecht ist.
Okay verstanden, also ran an die Arbeit! Neu im Stundenplan seit Anfang des Semesters: Einzelschauspielunterricht. Gut, dieser Unterricht ist sicherlich sehr sehr hilfreich in der Hinsicht. Also schnell Texte raussuchen und mit dem Erarbeiten von Monologen beginnen. Ich dachte, ich lerne den Text auch gleich schon auswendig, dann geht’s bestimmt schnell voran und wir arbeiten gleich los! Aber Pustekuchen – wie viele Gedanken muss man sich bitte über so eine Rolle machen? Wie weit man ausholen muss um eine Rolle zu verstehen, zu fühlen, sich in sie hineinversetzen zu können. Da war ich ganz schön baff. War also nix mit gleich losarbeiten, sondern erstmal viel viel viel über die Figur sprechen. Gut, dann haben wir noch Liedinterpretation auf dem Stundenplan. In jedem Lied in einem Musical verkörpert man eine Rolle, die mit dem Lied etwas sagen möchte. Auch hier das gleiche Vorgehen mit meiner neuen Lehrerin: mache dir viele viele Gedanken über deine Rolle, ihre Intention und die verschiedenen Emotionen die sie während des Liedes durchlebt. Du musst den Zuschauer bei Laune halten, denn wie schnell schaltest du selbst im Fernseher um? Und da hat sie so was von recht! Ich schalte sehr schnell um! Wow, das wird eine Herausforderung das zu lernen! Selbst beim tanzen ist es bei Choreografien sehr wichtig, die Stimmung des Liedes in seinem Ausdruck zu vermitteln. Hier kann man zwar nicht unbedingt von einer Rolle, wie in Schauspiel oder Gesang sprechen, aber auch hier muss man sich Gedanken darüber machen, was man darstellen möchte, wie man das umsetzt, usw. Zu guter letzt hieß es vor allem auch in unserem Projekt „A Chorus Line“ primär: finde deine Rolle im Stück, orientiere dich am Text und Gesang deiner Figur aber kreiere alles weitere drumherum selbst (natürlich in Absprache). Das war so gar nicht einfach, aber heute nach 3 Wochen Proben und auseinander setzen mit meiner Rolle bin ganz schön darüber erstaunt, was ich alles über sie weiß und wie ich mich dadurch gut in sie hineinverstzen kann. Manchmal passiert es mir sogar, dass sie sich verselbstständigt und neue Dinge tut, die ich vorher nicht plane und die dann oft aber sehr gut passen. Das ist ein tolles Gefühl!
Da raucht einem aber manchmal auch ganz schön der Kopf bei dem vielen überlegen, ausprobieren, verändern, festlegen. Dabei macht es aber auch ganz schön viel Spaß sich mit Rollen auseinanderzusetzten und sie hinterher spielen zu dürfen, auch wenn eine gründliche Vorarbeit viel viel Zeit in anspruch nimmt. Für mich persönlich hat diese aufwändige Arbeit aber einen sehr sehr positiven Nebeneffekt: wenn meine Rolle klar und ausführlich definiert ist, dann denke ich nicht so viel! Das ist toll, weil man dann freier agiert anstatt seine Handlungen zu planen oder sofort wieder zu reflektieren und ggf. als peinlich oder falsch einzustufen. Vorallem beim singen, wo ich noch nicht so viel Erfahrung habe, wird meine Stimmt freier und klingt viel besser wenn ich primär mit meiner Figur beschäftigt bin anstatt mit den Tönen!!!
Deshalb werde ich die Rollenarbeit nun definitiv in jeder Hinsicht vertiefen!
Und mit dieser Motivation werde ich mich nun ins Bett fallen lassen und sage Gute Nacht an euch!
Lieben Gruß,
Alexandra