Lieder, die man schon seit einer längeren Zeit singt, vor einer Weile interpretiert oder liegengelassen hat neigen oft dazu, etwas abzustumpfen und zu einer Art Routine/Alltag zu werden. Falls es Songs sind, die man zum festen Bestandteil des Repertoires zählt, sollte man sich bewusst sein, dass der Zuschauer alles merkt und von einer Routine schnell gelangweilt sein wird.
Zu dieser Sorte Lieder zählen für mich ganz klar meine Aufnahmeprüfungssongs, die ich die erste Zeit etwas hab ruhen lassen, um neues zu entdecken und nicht Gefahr zu laufen, in alte Muster zu fallen. Und da zu denen eine gewisse Verbindung besteht, wollte ich diese während der Ausbildung auf jeden Fall wieder verwenden – es waren schließlich die ersten Songs, denen ich vertraut habe, meine Persönlichkeit in Zusammenarbeit zum scheinen zu bringen. Bereits letztes Semester habe ich einen der beiden, Pilatus Traum, mit meinem Gesangsdozenten neu bearbeitet und das war eine erstaunliche Erfahrung. Durch den Input eines neu Beteiligten zum Alten entsteht wieder etwas einzigartiges. Ob es sich ergänzt oder gegeneinander läuft spielt da evt. nur eine Rolle in der Aufnahmegeschwindigkeit, aber es wirkt beides sehr erfrischend. Für einen selbst und für den Zuschauer, auf den sich diese gewisse Energie-Nuance bestenfalls überträgt. Jedenfalls habe ich im Zwischensemester jetzt meinen Hauptsong aus den damaligen Aufnahmeprüfungen herausgeholt, Try to Remember, und in Repertoire nun einige Wochen bearbeitet. Da ich diesen Song in- und auswendig kenne, war es erstmal schwierig einen Weg zu finden, neutral an eine neue Analyse heranzugehen. Bei der Textanalyse habe ich dann aber bemerkt, dass das Grundgefühl, das ich vorher bespielen wollte, immer noch zutrifft, aber sich plötzlich noch mehr Facetten abbilden und eine stärkere Struktur her muss. Also bin ich noch stärker in die Personenbeschreibung von mir als Rolle gegangen und habe klare Verbindung mit dem Text und der Stimmung hergestellt. Beispielsweise pro Strophe verschiedene Emotionen, die mit einem eindeutigen Bruch verbunden werden und eine klare Aussage haben sollten. Gebraucht wird auch eine Grundgeschichte, aus der hervorgeht, wieso und in welcher Situation das Lied überhaupt gesungen wird. Dabei ist es wichtig, klare Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise kann man, „ich befinde mich in einem Zimmer“, auch wenn es eine Ortsbeschreibung ist, noch viel stärker vertiefen, da diese Aussage in einem so erstmal nichts hervorruft und somit sinnlos wäre. Wie groß ist das Zimmer? Ist es hell oder dunkel? Ist es mein Zimmer oder ein fremdes? Dies dient als Beispiel für alle Fragen, die man sich während einer Liedinterpretation so stellen sollte. Deshalb habe ich für meinen Song für jede Strophe zu vermittelnde Geschichten bzw. Emotionen festgelegt. Gefährlich ist hierbei für einige Performer, dass man sich zu stark an die intellektuelle Bearbeitung klammert und Schwierigkeiten hat, sich diesen zu öffnen und die Emotionen laufen zu lassen. Kompliziert, kompliziert… es wird sich festgelegt und gleichzeitig doch fallengelassen. Das ist vermutlich die Kunst. Erbaue ein Haus und richte es stilgerecht ein. Welche Möbel, welche Farben etc. bleibt einem selbst überlassen und können manchmal auch nur erkundet werden, wenn man sich fallen lässt und auf das gebaute Fundament vertraut.
In diesem Sinne schaut noch mal über eure Songs, falls ihr sie bald brauchen solltet, und checkt einfach mal, ob alle Fragen eindeutig geklärt sind. Seid ihr euch sicher, was ihr erzählt und wer ihr dann überhaupt seid? Entwickelt eine kurz und knappe Formulierung, um euch das Hauptaugenmerk schnell ins Gedächtnis zu holen und schaut kurz vor der Performance noch mal drauf.
Eine schöne Restwoche noch und frohes Schaffen.
Euer Dominik