Am heutige Samstag drehte sich in unserem Semester alles um unser Schauspielprojekt für die Prüfung im Januar. Bohème etc. Wir probierten unser Eröffnungslied, arbeiteten an unserer ersten großen Ensembleszenen, um dann im einzelnen unsere Zweierszenen fertig zu entwerfen.
Vier Stunden Schauspiel an einem Samstag Vormittag. Grund genug sich zu fragen: Was ist eigentlich Schauspiel?
Es ist ja nicht so, dass ich mir nicht schon des öfteren diese Frage gestellt habe. Manchmal dachte ich auch, ich hätte es nun endlich begriffen. Naja, und dann im nächsten Augenblick wieder „Bahnhof?“. Hm. Was hat es also mit dieser eigenartigen Kunst auf sich. Und wann zum Teufel, ist man ein „guter Schauspieler“ – Insofern man das überhaupt kategorisieren kann.
Nun, wir alle kennen „gute Schauspieler“. Doch wie ERkennen wir sie? Mitreißen sollen sie uns, uns für einige Stunden in eine andere Welt entführen. Wir wollen mitleiden und mitlieben. Wollen als Publikum all das erleben, was sie auf der Bühne oder in Filmen durchmachen. Auf keinen Fall wollen wir uns langweilen. Pragmatisch ist „Schauspielerei […] [also] die Kunst, das Publikum am Husten zu hindern“ (Ralf Richardson, britischer Schauspieler, 1902-83).
Das Publikum also am Husten hindern. So Leiden, dass das Publikum mitleidet. So lieben, dass das Publikum mitliebt. Ja, das leuchtet mir ein. Nur wie MACHE ich das? Friedrich Schiller bezeichnet die Schauspielei als eine „Kunst der Einbildungskraft“. Einbilden muss ich mir also etwas. Ja klar, ich muss mir das einbilden, was ich auf der Bühne erleben soll. Goethe schreibt, dass Schauspieler, „als lebendige Menschen“, bei einer Theaterdarstellung, geschriebene Charaktere „zu lebendigen Wesen machen und ihnen zu irgendeiner Art von Individualität verhelfen“. Geschriebene Charaktäre zu lebendigen Wesen machen. In andere Rollen schlüpfen und dabei lebendig sein! Das ist es! Schauspieler sind ja sowieso immer „von der unbändigen Lust getrieben, sich unaufhörlich in andere Menschen zu verwandeln“ (Max Reinhardt.
So weit so gut. Ich bilde mir also ein, auf der Bühne jemand anderes zu sein. Dazu muss ich mir diese andere Person, meine Rolle, zunächst zu eigen machen. Also recherchieren: Welche Körperlichkeit hat die Figur? Geht sie aufrecht? Humpelt sie? Bewegt sie sich fließend oder abgehakt? Was trägt die Figur? Welche (Vor-) Geschichte hat die Figur? Mit welchen Personen steht meine Figur in Beziehung? Welche Art von Beziehungen sind das? …….etc. Theoretische Recherche ist gut, aber praktische noch besser. In den Proben finde ich persönlich immer am meisten über meine Figuren heraus. Denn da stehe ich meinen Spielpartnern direkt gegenüber.Beispiel: Vielleicht hab ich mir vorher theoretisch überlegt, dass ich mich mit Heinz bestimmt nicht verstehen werden, weil er blonde Haare hat, erfahre aber dann in einer gemeinsamen Improvisation, dass er seine Haare nur gefärbt hat. Das ändert nunmal alles!
Gut, Recherche, Proben, Rolle finden und auf der Bühne behaupten und das Publikum mitreißen. Alles klar, oder?
Und, weiß ich jetzt, was Schauspiel ist? Naja, vielleicht schon etwas mehr als Gestern. Und Morgen ein bißchen mehr als heute. Und Übermorgen ein bißchen mehr als Morgen. Und Überübermorgen…..
Man lernt nie aus. Aber was ich nicht mehr lernen muss, ist: Schauspiel= Spaß . Da steckt ja schließlich auch das Wort Spiel drin. Und zumindest als Kind bedeutete „Spielen“ immer Spaß und „Nicht- Spielen“, „Nicht-Spaß“. Daran hat sich, zumindest bei mir, bis heute nichts geändert.
„Ein Schauspieler ist ein Mensch, dem es gelungen ist, die Kindheit in die Tasche zu stecken und sie bis an sein Lebensende darin aufzubewahren.“ (Max Reinhardt).
Also Kinder: Spielt schön!