Gibts da einen Trick?


Liebes Tagesbuch,

heute ist Freitag und schon in der zweiten Stunde war ich sehr kaputt. Also, zuerst hatten wir Jazz Warm Up, das ging ganz gut, dann Ballett. Und irgendwie schaffe ich es immer, mich an der Stange so zu verausgaben, dass ich in der Mitte kaum noch stehen kann. Jetzt frage ich dich, liebes Tagebuch. Gibt es da einen Trick? Einen Trick, dass ich auch die Mitte noch voll austanzen kann? Also, im Gesang musste ich am MIttwoch lernen, dass es nicht von Vorteil ist, sechs Mal hintereinander vier Takte lang ein D“ zu belten. Spätestens beim vierten Mal, ging gar nichts mehr, weil ich zu schwach war. Das war in Interpret. Mit meiner Gesangsstunde konnt ich dann eigentlich so gut wie gar nichts mehr anfangen. Der ganze Apparat war einfach zu müde. Ich habe gelernt: „Die Stimmbänder sind die letzten Muskeln die aufwachen und die ersten, die müde werden.“ Ich muss also lernen zu markieren, sonst sagt die Stimme irgednwann Ade. Gut, okay, das hab ich jetzt eingesehen und ich werde versuchen das umzusetzen. aber wie ist das mit dem Tanzen. Die Stange markieren, um die Mitte richtig austanzen zu können? Aber wie lerne ich dann was, also wie verbessere ich meine Technik? Also, liebes Tagebuch, hast du einen Trick für mich? Hallo? Hörst du mich überhaupt? Bist du an?
Hm, scheint nicht so zu sein. Dann werde ich einfach weiter mein bestes geben, vielleicht entsteht ja irgendwann sowas wie „Kondition“ und ich werde die Mitte auch voll austanzen können.

Aber wenigstens einen Trick habe ich heute gelernt. Ein Gymnastikball erleichtert das Bühnensprechen enorm- ihn einfach zwischen eine Wand und dem Steißbein klemmen und dann bei sprechen dagegen und etwas nach untern drücken. Dann aktiviert man die Muskeln da unten und die Stimme ghet automatisch in den Körper. Super Trick! Wirklich. Nur, ich kann mich wohl schlecht mit einem Gymnastikball hinten an die Wand von der Bühne stellen und später so meine Szenen spielen. Hm. Also, Tagebuch, jetzt aber wirklich. Was ist der Trick? Sags mir?

BBBBBBBBBBBBBBBBBBBBIIIIIIIIIIIIIITTTTTTTTTTTTTTTTTEEEEEEEEEEEEEEEEEE!!!!!!!!!!!!! HIlf mir!

Liebes Kind,

hier spricht dein Tagebuch. Und ich muss dich enttäuschen. Aber es gibt keinen Trick. Wenn man den wüsste, dann wärs ja wirklich einfach. Dann müsstest du ja auch keine dreijährige Ausbildung machen und könntest einfach die Tricks in einem Buch oder so lesen und gleich anwenden. Aber ich gib deswegen die Hoffnung nicht auf. Denn einen Trick verrate ich dir: „Übung macht den Meister“. Du musst einfach – im wahrsten Sinn des Wortes – am Ball bleiben und dann wird es langsam (aber stetig!) immer besser werden. Glaube mir. Und gib nicht auf.

Gut, dann war mien Ansatz ja gar nicht so doof. Durchhalten und Kondition aufbauen. Jedenfalls was das Tanzen betrifft. Und das sprechen, am Ball bleiben. So so. Gut, okay. Erster Schritt: Mein Gedicht richtig gut auswendig können. Wie geht das? Na, ständig vor mir hin sprechen. Glaubt mir, das hat auch etwas mit Kondiiton zu tun. Und damit ihr auch etwas davon habt. Hier, in voller Länge:

Der Heideknabe

Der Knabe träumt, man schicke ihn fort
Mit dreißig Talern zum Heide-Ort,
Er ward drum erschlagen am Wege
Und war doch nicht langsam und träge.

Noch liegt er im Angstschweiß, da rüttelt ihn
Sein Meister, und heißt ihm, sich anzuziehn
Und legt ihm das Geld auf die Decke
Und fragt ihn, warum er erschrecke.

„Ach Meister, mein Meister, sie schlagen mich tot,
Die Sonne, sie ist ja wie Blut so rot!“
„Sie ist es für dich nicht alleine,
Drum schnell, sonst mach‘ ich dir Beine!“

„Ach Meister, mein Meister, so sprachst du schon,
Das war das Gesicht, der Blick, der Ton,
Gleich greifst du“ – zum Stock, will er sagen,
Er sagts nicht, er wird schon geschlagen.

„Ach Meister, mein Meister, ich geh, ich geh,
Bring meiner Frau Mutter das letzte Ade!
Und sucht sie nach allen vier Winden,
Am Weidenbaum bin ich zu finden!“

Hinaus aus der Stadt! Und da dehnt sie sich,
Die Heide, nebelnd, gespenstiglich,
Die Winde darüber sausend,
„Ach, wär hier ein Schritt, wie tausend!“

Und alles so still, und alles so stumm,
Man sieht sich umsonst nach Lebendigem um,
Nur hungrige Vögel schießen
Aus Wolken, um Würmer zu spießen.

Er kommt ans einsame Hirtenhaus,
Der alte Hirt schaut eben heraus,
Des Knaben Angst ist gestiegen,
Am Wege bleibt er noch liegen.

„Ach Hirte, du bist ja von frommer Art,
Vier gute Groschen hab ich erspart,
Gib deinen Knecht mir zur Seite,
Daß er bis zum Dorf mich begleite!

Ich will sie ihm geben, er trinke dafür
Am nächsten Sonntag ein gutes Bier,
Dies Geld hier, ich trag es mit Beben,
Man nahm mir im Traum drum das Leben!“

Der Hirt, der winkte dem langen Knecht,
Er schnitt sich eben den Stecken zurecht,
Jetzt trat er hervor – wie graute
Dem Knaben, als er ihn schaute!

„Ach, Meister Hirte, ach nein, ach nein,
Es ist doch besser, ich geh‘ allein!“
Der Lange spricht grinsend zum Alten:
„Er will die vier Groschen behalten.“

„Da sind die vier Groschen!“ Er wirft sie hin
Und eilt hinweg mit verstörtem Sinn.
Schon kann er die Weide erblicken,
Da klopft ihn der Knecht in den Rücken.

„Du hältst es nicht aus, du gehst zu geschwind,
Ei, Eile mit Weile, du bist ja noch Kind,
Auch muß das Geld dich beschweren,
Wer kann dir das Ausruhn verwehren!

Komm, setz dich unter den Weidenbaum
Und dort erzähl mir den häßlichen Traum,
Mir träumte – Gott soll mich verdammen,
Triffts nicht mit deinem zusammen!“

Er faßt den Knaben wohl bei der Hand,
Der leistet auch nimmermehr Widerstand,
Die Blätter flüstern so schaurig,
Das Wässerlein rieselt so traurig!

„Nun sprich, du träumtest“ – „Es kam ein Mann“ –
„War ich das? Sieh mich doch näher an,
Ich denke, du hast mich gesehen!
Nun weiter, wie ist es geschehen?“

„Er zog ein Messer!“ – „War das wie dies?“
„Ach ja, ach ja!“ – „Er zog’s?“ – „Und stieß“ –
„Er stieß dir’s wohl so durch die Kehle?
Was hilft es auch, daß ich dich quäle!“

Und fragt ihr, wies weiter gekommen sei?
So fragt zwei Vögel, sie saßen dabei,
Der Rabe verweilte gar heiter,
Die Taube konnte nicht weiter!

Der Rabe erzählt, was der Böse noch tat,
Und auch, wies der Henker gerochen hat,
Die Taube erzählt, wie der Knabe
Geweint und gebetet habe.

Friedrich Hebbel


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