Scrapbook


Du fühlst Dich, als wärest Du Zuschauer? Aber Du möchtest rein, Du möchtest mitmachen? Manchmal ist es einfach hart. Manchmal musst Du kämpfen. Wenn ein Traum so groß und stark ist, dann musst Du es auch sein. Kennst Du das Gefühl, wenn Du Dir auf die Lippe beißt? Plötzlich. Schreck. Schmerz.

Am Wochenende habe ich einen jungen Mann kennen gelernt, ich mag seinen Mund, wie er sich bewegt, beim Sprechen. Nicht zuletzt sicherlich, weil ich einen Menschen kenne, den ich sehr mag, bei dem es ähnlich ausschaut. Er hat mich fasziniert, inspiriert. Was macht er? Mit fünf Jahren hat er sich eine Geige gekauft und seit dem – spielt er. Geige. Er war wohl mal auf einer Akademie, ganz sicher bin ich mir da aber nicht, ich glaube, er war ein wenig betrunken. Vielleicht habe ich mir das aber auch von dem Bier in seiner Hand implizieren lassen, falls eine braune Bierflasche implizieren kann, vermutlich bin ich eher der Implikant. Jedenfalls hat er danach mit einem Orchester gespielt und mit einer Band. Letzten Monat ist er siebenundzwanzig geworden. Geboren in Rumänien, sagt er, habe er nun in allen großen Städten Europas gespielt. Ohne Band, ohne Orchester, nur mit seiner Geige, auf der pro Stadt größten Freilichtbühne, die sich ihm geboten hat. Auf der Straße. Auf die Frage, ob er ein Lied spielen könne, dass wir kennen, zum mitsingen, antwortete er, „ich kann jedes Lied spielen. Was willst Du?“ Aus dem Mitsingen wurden dann leider nichts, weil uns vor Faszination die Kinnladen auf den Asphalt gefallen sind und unsere Augen an seinen Fingern klebten. Dieser Mann hat uns mit seinem einen Instrument entführt. Völlig ohne Text – okay, den kannten wir theoretisch – und jedes andere Geschnörkel. Er war einfach nur bei sich und seiner Geige. Keine große Show. Keine Konzentration und ich bin sicher, so hatte er das Lied noch nicht gespielt und so wird er es auch nicht mehr spielen, weil der Augenblick entscheidet und sein Herz, was dann in anderen Worten – so vermute ich heute – Feuer heißt.

So, bis hier her und nicht weiter, denn eigentlich reicht es schon, um sich für diesen Menschen zu begeistern. Mich berührt das Kleine im Großen, ich finde das Große im Kleinen, aber dieser Herr lässt mich nicht lange suchen, es geht also weiter.

Was ihr noch nicht wisst, er sagt von sich, er lebe auf der Straße, obwohl er, egal wo in Europa er ist stets in einer Wohnung schläft, sehr reinlich ist er auch gewesen.

Auf die Frage hin, ob er nicht wieder mit einer Band spielen möchte oder mit einem Orchester, raus möchte auf die Bühnen und ob ihm nicht das Geld fehlt, öffnet er mir auch mein Herz.

„Nein. Was soll ich da? Da muss ich ja spielen. Auch wenn ich keine Lust habe. Wenn ich keine Lust habe, spiele ich nicht. Und wenn ich Lust habe, spiele ich den ganzen Tag. Du lebst um zu leben. Ich bin auf der Straße aufgewachsen, ich möchte auf der Straße sein, hier fühle ich mich wohl. Ganz oft spricht mich jemand an und ich lerne Menschen kennen. Ich möchte mal hier und mal da sein, ich bin in ganz Europa zu Hause, egal wo.“

Nach der Schule habe ich mich heute dick eingepackt, meine Decke vom Sofa geschnappt und mich mit meinem Buch auf den Balkon gesetzt und habe gelesen. Irgendwann hat es, erst ganz zaghaft und plötzlich sehr stark angefangen zu regnen. Die Sonne gab mir gerade noch die Möglichkeit, diese Zeilen zu lesen:

„You can only learn more about the subject by starting at the beginning. You can‘t start in the middle and go both ways. It‘s impossible.“

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